19. Mai 2011

STAY HUNGRY
Ausstellung in der Schrebergartenkolonie am Gleisdreick

Berlin ist keine Stadt mit Grün, sie ist ein Grün mit Stadt. So kommt es mir zumindest oft vor, wenn ich immer wieder neue grüne Ecken jenseits des Tiergartens entdecke. Vielleicht liegt dieser Eindruck auch daran, dass ich in einem Stadtteil wohne, der nicht wie Mitte überrannt wurde, sondern Stück für Stück sich seine Kostbarkeiten erhält und sie nach Maß gedeihen lässt, bestes grünes Beispiel das Südgelände.
Ich schrecke jedes Mal hoch, wenn ich verstärkt den Satz höre „Schöneberg ist am Kommen“ – hallo, was bedeutet das genau? Schöneberg ist doch längst hier, vielfältig und gelassen. Neuer Input ist gut, Veränderung als behutsamer Prozess ist dabei beständiger.
Eine kleine künstlich erhaltene Idylle in Schöneberg ist die Schrebergartenkolonie POG (Potsdamer Güterbahnhof) am Gleisdreieck, bestehend aus 60 einzelnen Parzellen. Im Zweiten Weltkrieg wurden der Potsdamer Platz und der dazugehörige Güterbahnhof komplett zerbombt.
1948 schlossen sich ehemalige Eisenbahner, Witwen und Kriegsflüchtlinge zusammen, um trotz der Trümmerwüste dort eine Gartenfläche zu erschaffen, von der sie sich selbst versorgen konnten. Seit Januar diesen Jahres wurde in vier sogenannten Previews das Terrain mit dem Projekt Stay Hungry getestet.
Weshalb die Kuratoren Anna Redeker und Theo Ligthart diesen Ort gewählt haben:
„In Zeiten, in denen die Kunst Gefahr läuft, zu dekorativen Versatzstücken privater Sammler-Mausoleen zu werden und Museen versuchen den Charakter von Eventflächen ungelenkig nachzustellen, können da Begriffe wie ‚Enthaltsamkeit’, ‚Askese’ oder ‚Disziplin’ mit neuer Aktualität aufgeladen werden oder beschleunigen sie lediglich die Verabschiedung der Kunst aus dem Alltag? Ist der Kunstbetrieb selbst schon zu einer Art eskapistischer Schrebergartenbewegung geworden? […] Die Schrebergärten sind ein Ort jenseits aller städteplanerischer Ambition. Ursprünglich gegründet um in harten Zeiten eine Selbstversorgung für die Bevölkerung zu gewährleisten, wurden sie über den Status eines heterotopischen Raumes nach und nach zum Sinnbild spießiger Kleinbürgerlichkeit. Sie stehen der ‚corporate architecture’ des Potsdamer Platzes räumlich und ideologisch gegenüber. Im Gegensatz zu den konstruierten gläsernen Fassaden im Westen verkörpern sie ein Bild des frei Improvisierten und des individuell Gestalteten.“
Ich finde es großartig, wenn Theater, Kunst etc. seine ‚normale’ Umgebung verlässt, in den Alltag einbricht, die Geschichten beleuchtet, die es an den Orten vorfindet. Isamu Noguchi hat mal gesagt: „Es wäre schade, wenn Kunst nur in Museen zu finden wäre und im Privatbesitz einiger weniger Einzelpersonen. Schliesslich bedeutet Kultur die Integration von Kunst und Leben.“
Ein interessanter Ansatz des Projektes bzw. ob nicht zwei Ansätze konträr behandelt werden, wird sich mir noch erschliessen. Meine persönliche Folgerung daraus ist, dass natürlich Schöneberg keine abgekapselte Burg werden soll und das wahllose Türeinrennen muss sich deshalb auch nicht zwangsläufig einstellen.
Aber ist es nicht ein menschliches Grundbedürfnis sich sein Idyll bewahren zu wollen? Andererseits sind wir Menschen in der Lage, uns immer wieder ein neues Idyll zu erschaffen – um beim Gartenbeispiel zu bleiben, siehe die Prinzessinengärten in Kreuzberg. Die Natur ein Ort, der uns zu uns kommen und stark unsere Bedürfnisse spüren lässt.
Die Hauptausstellung, für die 20 Arbeiten bekannter und unbekannter internationaler Künstler ausgewählt wurden, wird täglich bis zum 29. Mai 2011 ab 20.00 mit Performances und Kuratorenführungen begleitet.

19.00 // Schrebergärten am Gleisdreieck – Bülowstraße/Ecke Dennewitzstraße, Berlin

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